Donnerstag, 19. Mai 2011

(K)ein Abschied

Auf der Terasse zu Hause, beim Lesen leichter Lektüre
-genauer- beim Lesen eines Thrillers von Robert Harris fiel die Erkenntnis auf mich wie der Hammer auf den Amboss:
"Der meint auch Dich!"

In The Ghost schreibt er:
"Wir alle neigen dazu, unsere eigene Wirklichkeit aufzupolieren. Das fängt an mit einer persönlichen Fantasie über unser Leben, die wir dann, vielleicht aus Spaß, in eine Anekdote verwandeln. Niemand kommt zu Schaden. Im Lauf der Jahre wird diese Anekdote so regelmäßig wiederholt, dass sie schließlich als Tatsache akzeptiert wird. Und schon bald wird es einem selbst peinlich, dieser Tatsache zu widersprechen. Mit der Zeit glauben wir dann wahrscheinlich sogar, dass diese Anekdote schon immer wahr gewesen ist. Und dieser allmählich an Umfang zunehmende Mythos bildet sich dann, wie ein Korallenriff, zu einem historischen Bild aus."

Zwei Jahre habe ich von Träumen gelebt. Und manchmal von der Vergangenheit. Zwei Jahre lang umgab mich eine Welt , die mir vorher fremd war: Das Reich der Sprache. Statt mit mexikanischen Banditos habe ich mit den Worten und Sätzen gekämpft, was überraschenderweise nicht unbedingt immer einfacher war. Und bei strömendem Regen im Dschungel unterm Auto zu liegen empfand ich oft komfortabler oder zumindest klarer, als im Sumpf der Gedanken den Ausweg in eine schlüssige Formulierung zu finden. So stelle ich (nicht zum ersten Mal in meinem Leben) eine innere Zerrissenheit fest. Das angelernte, ingenieurmäßige Denken einerseits, welches (fast) immer zu einer Lösung führt und mir Optimismus und Selbstvertrauen verleiht. Und die innere Befindlichkeit andererseits, welche mir oft so unmännlich vorkommt und mich in Ratlosigkeit zurück lässt.

Aber genau hier hat der Blog Traumtuch eine Symbiose in mir er(ge)schaffen, die mich glücklich macht. Das Internet ist ein schmaler Kommunikationskanal. Vor den Gefahren des Netzes wird oft und zu Recht gewarnt. Für mich aber war dieser Blog eine Bereicherung und bleibt eine Quelle der Inspiration. Ein wunderbarer Nebeneffekt ist dabei die Erfahrung, anderen Menschen Mut machen zu können - durch Authentizität und Offenheit. An all dem haben viele von Euch, meine lieben Leserinnen und Leser, wesentlichen Anteil. Nicht zuletzt durch den Austausch mit Euch habe ich in den letzten zwei Jahren gelernt, mit einem offenen Ende zu leben und das Leben in seiner Dualität wahrzunehmen und zu akzeptieren.

Womit ich wieder bei Robert Harris wäre. ***schmunzel*** Bevor ich 'meine Fantasien in Anekdoten umwandle' und das Verhängnis in die Halbwahrheiten seinen Lauf nimmt ***noch mal schmunzel***, habe ich beschlossen, mich erneut der Wirklichkeit zu stellen, Angst und Bequemlichkeit zu überwinden, an andere Ufer zu schwimmen und das Abenteuer zu suchen. Ich vertraue dabei auf meinen inneren Kompass und werde versuchen, meine Entscheidungen nach den Grundhaltungen und nicht in/aus der Hektik des Tages zu treffen. Wenn die Angst kommt, werde ich ihr mit der indianischen Weisheit begegnen: "Wer ans andere Ufer möchte, muss den Fluss überqueren." Beim Thema 'Abenteuer' werde ich mich immer von meiner Kanadierin bremsen lassen ( ohne die das alles sowieso nicht laufen würde ;-) ) und ich bin mir jetzt schon sicher, dass ich dereinst mit Joseph Conrad feststellen werde: "Ich glaubte, es wäre ein Abenteuer, aber in Wirklichkeit war es das Leben."

In diesem Blog werdet Ihr nicht mehr viel lesen. Aber natürlich hoffe ich, dass ihr mir treu bleibt und ab und zu hier rein schaut.

Lebt wohl
So long
Hasta luego

Jorge D.R.

3 Kommentare:

  1. Nun sitze ich hier, mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Einerseits weiß ich nun, warum du so lange so schweigsam warst, ich hatte mir schon Sorgen gemacht. Andererseite dachte ich, dein Buch hat so eingeschlagen, dass du auf Tourbist, von einer Lesung zur anderen fährst.

    Ich freue mich für euch, ganz doll sogar. Ein Freund von mir, Lehrer und seit ein paar Jahren auf Rente, ist jedes Jahr mehrere Monate dort. Wenn er erzählt und Fotos zeigt, bin ich immer ganz beeindruckt.

    Ich wünsche euch von Herzen eine gesunde, glückliche Zeit, jegliches Abenteuer zu bestehen und freue mich, hin und wieder etwas von dir zu lesen.
    Macht es beide gut und bleibt schön gesund.

    Von ganzem Herzen,
    Anna-Lena

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  2. in aller Kürze erst einmal : alles GUTE ..(l)ein Abschied hat auch immer irgendwo einen Anfang, den habe ich mir gerade auf Eurer HP angesehen... sicher werde ich EUCH immer begleiten, in Gedanken, und mitreisen ... macht´s gut und bis bald ... mit einem lieben Gruß und einem DICKEN DANKE für DEINE WORTE, die oft genug sehr tief gingen ... Ursa

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  3. Auch ich wünsche euch Glück und bestes Gelingen für den Aufbruch zu neuen Welten!

    Die im Entstehen begriffene Reise-Website habe ich schon mal zu den "Favoriten" hinzugefügt...

    Toi, toi, toi und herzliche Grüsse,
    Brigitte

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