Donnerstag, 26. Januar 2012

Begegnungen

Picknick im Park

Die Begebenheit, die hier erzählt werden soll, spielt in einem kleinen Weiler tief in den Chilenischen Anden. Das Nest heißt Villa García und ist auf einer Karte nicht vermerkt. Jedenfalls nicht auf unserer.



Wir haben soeben den Parque National Conguillío durchquert. Über und entlang weiter, pechschwarzer Lavafelder sind wir gefahren. Im Jahr 2008 hat der Vulkan Llaima das letzte Mal so richtig losgelegt und einen breiten Strom flüssigen, rot glühenden Gesteins zu Tale geschickt. Man will es nicht glauben, wenn man diesen weißen, wunderschönen Berg betrachtet, aber die kleine Rauchwolke, die ständig über ihm steht, zeigt, dass es jeder Zeit wieder losgehen kann. Und das macht uns eine Gänsehaut.

Noch ganz beeindruckt von der Schönheit der Natur sitzen wir auf einer Bank am Rande eines kleinen Parks, abseits der Hauptstraße, und machen Picknick. Es ist Mitte der Woche. Früher Nachmittag. Kein Mensch ist zu sehen. Das kleine Dörfchen scheint zu schlafen. Während wir uns stärken, bestaunen wir die Kirche und die kleinen Häuser, die alle irgendwie gleich aussehen und uns stark an die Schweiz erinnern.

Die alte Frau auf der anderen Straßenseite ist ganz in Schwarz gekleidet. Sie schaut zu uns herüber. Ihr Blick ist unsicher, aber auch ein wenig neugierig. Wie muss unser bulliger Geländewagen auf sie wirken?! - Hier in ihrem Dorf, neben der Bank, auf der sie sonst um diese Zeit vielleicht immer Platz nimmt?

Als ich laut grüße, wird ihr Schritt langsamer. Dann folgt sie unserer Einladung, und kommt zögernd über die Straße. Schweigend betrachtet sie eine Weile unser rollendes „Zu Hause“. Übergangslos beginnt sie von sich zu erzählen.

Sie ist auf dem Weg zu einigen alten Leuten im Dorf, um ihnen die Kommunion zu bringen. Unsere Frage nach der Kirche gegenüber (wir dachten wegen des ungewöhnlichen Baustils kurzzeitig an einen Mormonentempel) beantwortet sie ausführlich: Ein Franziskanermönch aus Luzern habe sie Mitte des achtzehnten Jahrhunderts gebaut. Außerdem habe er den Leuten geholfen, ihre Häuser zu bauen. Hartnäckig und erfolgreich habe er bei der Regierung um Geld gebeten.

Unvermittelt dann ihre erste ( und einzige ) Frage, ob wir verheiratet seien. Ich bestätige und füge eifrig an, dass meine Frau katholisch sei und ich evangelisch. Mit einer Handbewegung wischt sie diese Information beiseite. „Gott hat den Menschen gemacht, dich und mich, den Vulkan und alle Kreatur.“ sagt sie und schaut mich dabei aus hellen Augen an.

Dann streckt sie sich zu meiner Frau hoch und gibt ihr einen Kuss auf jede Wange. „Geht mit Gott“ sagt sie. Dann verbessert sie sich: „Fahrt mit Gott“ sagt sie jetzt. Ein verschmitztes Lächeln huscht dabei über ihr schönes Gesicht.

Im Gehen wendet sie sich nochmals mir zu. „Pass gut auf deine Frau auf.“, sagt sie mit Strenge in der Stimme und macht sich ohne zu zögern auf ihren Weg. Mir bleibt nur ein folgsames Nicken.

Jorge D.R.

( Unter dem obigen Titel werde ich euch auch in Zukunft in loser Folge ein wenig von Menschen erzählen, auf die ich in der Literatur, der Musik, der Malerei, der Fotografie, beim Reisen, in den Weiten des Netzes oder im wirklichen Leben gestoßen bin. )

6 Kommentare:

  1. Eine anrührende Begegnung, sehr anschaulich und eindringlich beschrieben.
    Gute Reise weiterhin,
    April

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  2. Ja, ich bin auch sehr angetan von eurer Begegnung in Villa Garcia! Wunderbar, die Worte und Gesten der alten Frau!

    So nehmt denn ihre guten Wünsche mit auf eure Weiterfahrt! Und meine auch.

    Gruss, Brigitte

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  3. Sehr berührend, lieber Jorge D.R.!
    Ja, passt gut auf euch auf!

    ..winkt Monika

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  4. Hallo Jorge

    Das Leben schreibt die schönsten Geschichten, solche Begegnungen säumen den wegrand unseres Lebens mit anmutig rührseligen kostbaren Blumen die für immer in unseren Erinnerungen bleiben werden.

    Ich wünsch euch noch viele solcher schönen Wegrandblumen

    alles liebe für euch beide
    Sterntalerchen

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  5. Solche Begegnungen sind faszinierend und fallen sehr tief ins Innere, sprechen die Seele an. Was auch immer im Kopf der Frau gedacht wurde, es waren gute Wünsche für euch dabei.
    Danke fürs Dabeisein dürfen...ich folge euch soooo gern:-)

    herzlichst, Edith

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  6. so schön zu lesen ... :-)

    liebe grüße,
    tabea

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