Sonntag, 13. November 2011

Augenblicke in Amerika

Der Navajo
Gallup, New Mexico. Vor dem Supermarkt spricht mich ein junger Mann wegen unseres Autos an, während meine Frau
 beim Einkaufen ist. Aus Sicherheitsgründen geht immer nur einer ins Geschäft. Der andere bleibt beim Auto. Dass mein Baby Ursache und Gegenstand eines Gesprächs ist, bin ich gewohnt. Das kann manchmal ziemlich unpassend sein. Höflich versuche ich dann abzublocken.

Aber diesmal weckt der Mann hier vor mir mein Interesse. Er sieht sehr indianisch aus. Ich schätze ihn auf etwa 35. Stolz erzählt er mir, dass er auch einen Toyota hat und zeigt vage nach hinten, wo ich einige ziemlich lädierte Pickups erkennen kann. Dann will er wissen, was das für ein Nummernschild an unserem Auto ist. Ich sage, dass wir aus Deutschland kommen. Seine Augen beginnen zu strahlen. Das Gespräch geht auf Deutsch weiter. Holprig, aber verständlich. Ich bin platt.

Nein, er sei noch nie aus Gallup rausgekommen. Sein Deutsch hat er auf der Schule gelernt. Sein Vater war mit der Army in Deutschland und würde immer noch von diesem Land schwärmen. Dort seien die Menschen so freundlich, sagt er. Richtig berühmt sei aber sein Großvater gewesen. Der hätte den ganzen Krieg bei der Navy mitgemacht . Ich erfahre: Die Sprache der Navajos wurde im zweiten Weltkrieg von den Amerikanern als Geheimsprache benutzt, weil sie so kompliziert ist. Navajos waren Funker und Dolmetscher, vor allem im Pazifik.

Später auf dem örtlichen Campingplatz lerne ich einen weißen Amerikaner kennen. Es ist ein pensionierter Lehrer, der 15 Jahre lang Navajos in Mathematik und Computertechnik unterrichtet hat. Zufälle gibt's. Er erklärt mir, dass die Navajos sehr intelligent sind. Er spricht ihre Sprache und hat ihr Vertrauen. Wir kommen ins Gespräch. Hochinteressant, was dieser Mann erzählt. Die Zeit fliegt. Erst als wir kein Feuerholz mehr haben und uns fröstelt, verabschieden wir uns von einander.

„Es gibt großartige Menschen.“, denke ich. Ein letzter Blick hoch zu den Sternen. Manchmal ist Leben so unglaublich dicht. Zufrieden kuschle ich mich in den Schlafsack.

Jorge D.R.

Unter dem obigen Titel werde ich euch auch in Zukunft ein paar Geschichten erzählen. Randnotizen. Momentaufnahmen aus einem großartigen und zugleich widersprüchlichem Land. Nichts von großer Politik. Kleine Geschichten, aufgelesen vom Straßenrand oder im Starbucks Café. Sie passen nicht zusammen, sind so widersprüchlich wie das Land. Man ist versucht die falschen Schlüsse zu ziehen. Vielleicht sollte man gar keine mehr ziehen. Denn wenn man als Deutscher durch dieses Land reist, ist man immer wieder verblüfft oder beeindruckt, verstört oder begeistert.

6 Kommentare:

  1. Zu diesem Thema gibt es sogar einen Film: "Windtalkers"...
    Ich wünsche euch noch viele nette Bekanntschaften auf Eurem weg.
    Liebe Grüsse.
    bea

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  2. Danke bea - für den Filmtip und die Wünsche
    Jorge D.R.

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  3. Wundervolle Begegnungen, die ihr unterwegs macht! Manchmal ist man wohl baff und sprachlos vor Verwunderung. Ich bin es schon allein beim Lesen!

    Liebe Grüsse über die grossen Länder und Teiche,
    Brigitte

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  4. Lieber Jorge,
    was ihr alle erlebt...es ist nicht zu glauben, aber da merkt man wieder mal, was für Zufälle es gibt und was für interessante Menschen. Schön, dass du uns teilhaben lässt an diesen Begegnungen.

    Liebe Grüße über die Meere von einer sehnsuchtsvollen Gerti

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  5. "Das Leben ist dicht", schreibst du, lieber Jörg. Und ich nicke bestätigend.
    Eure Erlebnisse, notiert als unterhaltsame und spannende Episoden, spiegeln dies.

    Wieder endet mein Kommentar mit:" Mehr davon, bitte!"

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  6. Diese Begegnungen sind wohl das 'Salz in der Suppe' des Reisens. Und nein, Schlüsse sollte man vielleicht gar nicht ziehen, einfach nur annehmen und staunen.

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