( Diese Geschichte ist im Rahmen von Donnas Schreibwerkstatt entstanden. )
Perfekt! Alles lief wie am Schnürchen. Sogar das Frühstücksei war diesmal perfekt. Frisch geduscht und rasiert saß Herr Sorgenfrey nun am Hoteltisch und lies es sich schmecken.
Während er bedächtig kaute, wanderte sein Blick aus dem großen Fenster, das eine wunderbare Sicht über grüne Wiesen und üppigen Felder frei gab. Aber Herrn Sorgenfreys Gedanken waren schon längst beim Referat. Da war ihm doch heute Morgen beim Aufwachen noch so ein Gedanke gekommen, wie er dieser komplizierten Formel den letzten Schliff geben könnte. Denn es war ihm wichtig, dass ihm jeder folgen konnte. Man könnte auch sagen, es war eine Leidenschaft von ihm, komplizierte wissenschaftliche Zusammenhänge transparent zu machen und mit originellen Beispielen aus der Praxis zu untermalen. Und genau dafür waren seine Zuhörer ihm dankbar. Insbesondere die jungen Lehrer verwickelten ihn in den Pausen in anregende Gespräche, bei denen oft auch für ihn die eine oder andere neue Idee heraussprang. Und so war Herr Sorgenfrey ganz zufrieden mit seiner Doppelrolle als Mann der Industrie einerseits und als Referent in der staatlichen Lehrerfortbildung andererseits. Dass sein Frühstücksei ziemlich komisch schmeckte, nahm er erst beim zweiten Biss richtig war. Die kleinen Papierpäckchen sahen sich aber auch verdammt ähnlich. Als er sich sicher war, das richtige Päckchen erwischt zu haben, glich er den faden Geschmack durch die doppelte Portion Salz aus. Dinge wie diese Verwechslung nahm er inzwischen gelassen als Bestandteil seines Lebens hin. Dass seine Frau Rommy ihn bei solchen Gelegenheiten liebevoll 'meinen zerstreuten Professor' nannte, war ein Nebeneffekt, den er genoss. Denn meist fuhr sie ihm dabei auch noch zärtlich durchs Haar und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Aber zum Glück war sie diesmal zu Hause geblieben. Denn die Assoziation 'Rommy' und 'Frühstücksei' war kein guter Gedanke. Sie machte sich immer über ihn lustig, weil er beim Frühstücksei so seine Ansprüche hatte. So hatte sie doch beim letzten Mal auf seinen Kommentar „Ich mag morgens keine harten Eier“ kurz und trocken geantwortet „Dann stell dir vor, es ist später!“ Aber Rommy war ein facettenreicher Mensch. Er musste schmunzeln, als ihm die Geschichte mit seiner neuen Brille einfiel. Rommy hatte sie natürlich gleich ausprobieren müssen. Auf seinen entzückten Kommentar "Du siehst so intelligent aus wie ich." hatte sie düpiert geantwortet: "Oh, das wäre keine Verbesserung." Auch zum Thema Erotik hatte sie ein sehr entspanntes Verhältnis. So hatte sie ihm doch gestern mit den Worten verabschiedet: "Schatz, ich muß dich nur durch meine Lesebrille anschauen, dann bist du nicht mehr so scharf." Selbst als der Ober mit der Rechnung kam, waren seine Gedanken immer noch bei Rommy und ihrer Antwort auf sein Kompliment. "So eine tolle Frau! Womit hab ich die bloß verdient!?" hatte er gesagt. Ihre Antwort war kurz und präzise gewesen: "Keine Sorge, die Rechnung kommt noch!"
Erst der Ruf "Herr Sorgenfrey, Taxi!" riss ihn aus seinen Träumen. Er schob den Geldschein unter die Kaffeetasse und ohne nochmals auf sein Zimmer zu gehen, eilte er zum Ausgang. Ganz bewusst hatte er sich nicht im Tagungshotel eingemietet. Abends wollte er seine Ruhe haben. Es war richtig schön gewesen das Telefonat gestern Abend mit Rommy. Ja, da war sie schon wieder in seinem Kopf. Er hatte halt dieses Mal allein fahren müssen. Vielleicht war deshalb das Telefonat so lang geworden. Auch als die pulsierende Stadt am Taxifenster vorbeizog, musste er über seine Frau schmunzeln. Mit der Begründung "Kleider machen Leute" war sie mit ihm auf Einkaufstour gegangen und hatte ihn von Kopf bis Fuß neu eingekleidet. Neuer Anzug, neue Schuhe, neue Krawatte. Natürlich alles vom Feinsten. Diese Tour war eine Tortour für ihn gewesen. Kleidung war ihm nicht wichtig.
Das Tagungshotel war ein protziger Glasbau, wie er sie von Amerika her kannte. Als er durch die riesige Eingangshalle schritt, war er mit sich und der Welt im Reinen. Grund zur Nervosität hatte er auch nicht. Fachlich konnte ihm keiner das Wasser reichen und dass sein -sagen wir mal- schrulliges Wesen allgemein akzeptiert war, davon hatte er so eine kleine Ahnung - bescheiden ausgedrückt. Und wenn doch mal ein Besserwisser ihn zu nerven versuchte, nahm er das sportlich.
Herr Sorgenfrey beschleunigte seine Schritte, denn durch seine Träumereien war er wieder mal ziemlich spät dran. Die beiden großen Flügeltüren vor ihm öffneten sich wie von Geisterhand und ein Blitzlichtgewitter setzte ein. Er reagierte durchaus gefasst. Sofort war ihm klar, dass einer seiner Kollegen der Presse einen Tipp gegeben haben musste; denn die Nachricht, dass er diesen begehrten Preis bekommen hatte, war noch keinen Tag alt. Bescheiden senkte er den Blick zu Boden - und da kam das Entsetzen. Ein kaltes Grauen schlug ihn fast zu Boden. Und da war auch sofort Rommy wieder vor ihm. Durch seinen Kopf hämmerten ihre Worte: "Was ? Du hast wieder deine alten Birkenstocksandalen an? " Verzweifelt dachte er noch: "Warum sagt sie das? Das sah er doch selber!"
Jorge D.R.
Ohne Rommy konnte das nicht gutgehen, das war mir ziemlich schnell klar... Die Pointe ist dir sehr gut gelungen!
AntwortenLöschenDanke für diese schöne Geschichte!
Herzliche Grüße - Donna
Doch schon fast ein "Muss" für einen zerstreuten Professor.
AntwortenLöschenSchön zu lesen mit dieser "peppigen" Pointe am Ende.
Und die Moral von der Geschichte: Hinter fast jedem zerstreuten Professor steht eine starke, konzentrierte Frau - nur nicht dann, wenn es wirklich darauf ankäme! :-)
AntwortenLöschenLiebe Grüsse,
Brigitte
Tja, ohne Frauen gehts eben nicht... hat mir sehr gefallen!
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Petra
Fein gespickt mit den kleinen "M." Zitaten, deine Geschichte, lieber Jorge D.R.!
AntwortenLöschenIch glaub die Birkies habe ich schon auf einem Bild gesehen.. ;-)
Zu Hause und in der Praxis trage ich sie auch gern.
Ja, auch der Schluss ist gelungen!
..grüßt dich Monika schmunzelnd
Ich mag zerstreute Professoren und bin gar nicht der Meinung, dass dahinter eine "starke" Frau stehen muss. SORRY. Ich denke, dass zerstreute Professoren eine "liebende" Frau brauchen, die "IHN" so nehmen wie er ist. Denn das ÄUSSERE ist bei solchen Menschen m.E. sehr unwesentlich.
AntwortenLöschenDeshalb gefällt es mir sehr, dass der zerstreute Professor trotz neuem Anzug etc. NICHT auf seine IHM wichtigen Dinge verzichtet hat - und seiens auch nur die "Birkenstock-Sandaletten". Etwas, das zu IHM gehört, das er mag und womit er sich wohlfühlt. Danke für diese Geschichte.
Von Herzen
Doris
Eine zärtliche Liebeserklärung an diese tolle Frau. Ich wette, die gibts irgendwo ganz in deiner Nähe. Die Sprüche sind so köstlich, die können nicht erfunden sein.
AntwortenLöschenIch habe bis fast zum Ende gerätselt, wie du da nen Schluß hin kriegst. Und dann ---> kullerte er uns ganz leicht vor die Füße.
Lange Rede - kurzer Sinn: Großartig finde ich deine Geschichte.
Da ist er ja wieder, der liebe Herr Sorgenfrey.. Wie schön. Und wie üblich habe ich mich köstlich amüsiert.
AntwortenLöschenLiebe Grüße,
gori
Oh oooooooh....ggggg
AntwortenLöschenich sag da mal lieber nichts dazu...gggg
diese Birkenstock Geschichte hat mich sehr zum schmunzeln gebracht
Nun Gratulation an "Herrn Sorgenfrey" zu seiner tollen Frau (schmunzel)
mit einem verschmitzten lächeln wünscht dir
Sterntalerchen einen schönen Sonntag
mit der natürlich zugehörigen Portion Sternenstaub******
Schöne Geschichte die man mit einem Schmunzeln lesen kann.
AntwortenLöschenkurz vor Schluss der Geschichte, dachte ich: jetzt kommt's - und erwartungsvoll bereitete sich in mir ein Schmunzeln vor.
AntwortenLöschenGeschichten, die so enden, gefallen mir immer.
Liebe Grüße
Barbara
Das ist wahre Liebe, auch wenn sie diesmal über das Telefon etwas lückenhaft war. ;-)
AntwortenLöschenLiebenswürdige Huldigung des (zugegebenermaßen hier etwas einseitigen) "Aufeinander-angewiesen-seins"
@all
AntwortenLöschenVielen Dank an alle Leser.
Es hat Spaß gemacht.
Jorge D.R.
Herrlich, liebevoll und mit Humor geschrieben. An so ein Ende hätte ich nie gedacht. Aber wer weiß, wie oft sowas tatsächlich passiert *lach*.
AntwortenLöschenDas ist ja einer, der Herr Sorgenfrey. Schön, dass er seine Rommy so liebt, sie scheint auch eine sehr tolle Frau zu sein, mir gefällt sie sehr. Den Kommentaren entnehme ich, dass es noch mehr über Herrn Sorgenfrey zu lesen gibt? Da gehe ich doch gleich mal schauen :)
AntwortenLöschenEine schöne Geschicht, das Ende ist toll!